Die Kurzform der Abbensener Kirchenchronik
(Text: Andrea Deyerling-Baier)

Die Abbensener Kirche ist jünger als die meisten Kapellen und Kirchen in der Region. Auf dem jetzigen Gelände der Kreissparkasse stand eine Kapelle aus dem Jahre 1362. Sie wurde, baufällig und zu klein geworden, 1831 abgerissen. Gegenüber, an der Durchgangsstraße nach Edemissen, wurde 1833 bis 1835 die neue Kapelle im klassizistischen Stil gebaut.

Konsistorialbaumeister Friedrich August Hellner hatte den Bau entworfen. Der Grundriss gleicht anderen Hellnerschen Kirchen im damaligen Königreich Hannover, so auch der Eddesser Kirche, die 1839 eingeweiht wurde. Hellner baute zweckmäßig, kostensparend, solide und bodenständig, ohne aufdringlichen Pomp, wie es der Landschaft, den Menschen und den Finanzen eines Bauerndorfs entsprach.

Kirchenbau im klassizistischen Stil

Der nüchterne, klare Stil war zugleich durch das ästhetische Programm des Klassizismus geprägt. Die rechteckige Grundform mit eingegliederter Sakristei und der symmetrisch ausgerichtete, wohlproportionierte, lichterfüllte Raum mit hohen, schlanken Rundbogenfenstern sind typische Elemente. Der Außenputz ist schlicht, das Walmdach einfach, zunächst gab es nur einen Dachreiter mit Glocke und Zuckerhutturm – mehr konnten sich die Abbensener nicht leisten. Die Sandsteine wurden im nahen Fissenberg gebrochen.

Ein gewisser Rüscher holte den Kirchturmknauf in der Kiepe zu Fuß aus Goslar, dazu der Kommentar von Pastor Otto Schrader 70 Jahre später: „Es ist das eine Leistung, die unser heutiges Geschlecht, dem das Reisen durch die Eisenbahn und durch das Rad leicht gemacht ist, in Staunen versetzt. Wer würde heutzutage das noch tun und wer würde es können, ohne hernach Tage hindurch an Steifheit und Lahmheit in den Beinen zu leiden?“

 

Der Kanzelaltar im Zentrum

Für den Innenraum gilt auch in Abbensen Baumeister Hellners Prinzip: „Ein lutherischer Kirchenraum ist wesentlich Gemeinde- und Predigtkirche: Predigtkirche mit Kanzel und Altar.“ Der sogenannte Kanzelaltar, unten Altar, darüber die Kanzel, befindet sich im Blickpunkt, wenn man die Kirche betritt. Er ist bei aller Schlichtheit doch etwas verzierter als der übrige Kirchenraum. Predigt und Prediger stehen im Zentrum des lutherischen Gottesdienstes der Aufklärung im 18. und frühen 19. Jahrhundert, so auch in Hellners Architektur. Ebenfalls wichtig ist die umlaufende Empore. Der Prediger sollte zur Belehrung und Erbauung von allen Plätzen gesehen und gehört werden. Die Männer saßen oben, näher an der Kanzel, die Frauen unten.

Die „Kirchenstuhlordnung“ spiegelte die ständische Gliederung außerhalb der Kirche im weltlichen Leben wider: Hausnummern auf den Kirchenbänken gaben an, wer in der sozialen Ordnung oben stand. Reiche Bauern erhielten einen vorderen Platz.

Hell und einladend

Die Innenausmalung muss schon immer hell gewesen sein. Die Hellnerschen Kirchen wollten licht, einladend und erhellend sein. Durch die großen Fenster sollte hereingelassen werden, was außerhalb der Kirchenmauern geschah, eine Trennung von Kirche und Welt gab es zu dieser Zeit nicht. Die Architektur entsprach dem liturgischen Verständnis des beginnenden 19. Jahrhunderts: Der Gottesdienst sollte zeitgemäß und wirklichkeitsnah sein, mit einer verständlichen Predigt des Evangeliums.

Der Turm als Zeichen der Selbständigkeit

Als 1894 aus der zu Edemissen gehörenden Kappellengemeinde Abbensen eine eigenständige Kirchengemeinde wurde, entstand der Wunsch, der Kapelle einen Turm als sichtbares Zeichen der Selbständigkeit hinzuzufügen. Lange Spendenlisten belegen die finanzielle Unterstützung der damals 830 Dorfbewohner. Nur ein geringer Teil der Baukosten wurde aus dem evangelisch-lutherischen Kirchenfonds zur Verfügung gestellt. Auch die umliegenden Kirchengemeinden Edemissen, Eddesse und Sievershausen beteiligten sich an der Finanzierung.

1905 begann der Turmbau nach Plänen des Hildesheimer Architekten Werner Söchtig. Handwerker aus Abbensen und den umliegenden Ortschaften waren am Bau beteiligt. Aus Erzählungen wissen wir, dass viele Abbensener beim Brechen der Steine im Fissenberg halfen. Das Bruchstein-Sichtmauerwerk erinnert an eine mittelalterliche Trutzburg und entsprach – anders als der verputzte Kirchenraum – dem damaligen Zeitgeschmack. Der Turm erhielt zwei Glocken, zwei schiefergedeckte Hauben, eine achteckige Laterne, eine Uhr mit Goldbelag sowie einen Turmknauf und Turmkreuz. Die Orgel, besonders wichtig im evangelischen Gottesdienst, da die Kirchenmusik ein Teil der Verkündigung ist, wurde von der Ostseite an die Westseite verlegt.

Was verbirgt sich im Kirchturmknauf?

Nach alter Tradition wird bei jeder Renovierung mit Öffnung des Knaufs neben einer Tageszeitung und Münzen ein neuer Gemeindebericht des derzeitigen Pastors eingelegt. Pastor Otto Schrader schrieb 1905: „Ob nicht ein Gefühl der Dankbarkeit durch die vielen Herzen ziehen wird, wenn Abbensen somit anderen Gemeinden ebenbürtig zur Seite tritt! Und ob dann wohl der Dank die Gemeinde bewegen wird, in großen Scharen alle Zeit dem Rufe der Glocken allsonntäglich und allfesttäglich ins Gotteshaus zu folgen? Gott gebe es! Ihm diene der Turmbau zur Ehre, der Gemeinde aber zur Erbauung und zur Förderung in der Gottseligkeit!“

Die Abbensener weihten ihren Turm jedenfalls stolz und gebührend am 14.1. 1906 ein, wie es Theodor Weber seiner Schwester Jenny auf einer Postkarte schrieb: „Am nächsten Sonntag ist hier große Kirchturm-Einweihung, es wird großartig, abends großes Festessen, woran die ganze Gemeinde sich beteiligt.“

Renovierungen

Da die Hellnerschen Kirchen solide und dauerhaft gebaut waren, fielen nur selten Reparaturen an, anders beim Turm. Die erste Dachstuhlreparatur war schon vor 1940 nötig, 1948 mussten – nach jahrelangem Warten wegen der Baumittelknappheit während der Kriegs- und Nachkriegszeit – Holz und Schieferplatten vollständig ersetzt werden. 1984 wurde das Schieferdach wieder repariert, und gleich nach seinem 100. Jubiläum war eine neuerliche Grundsanierung nötig.

Im Innenraum erfolgten mehrfach neue Ausmalungen, mal weiß oder pastellfarben, mal dunkler, je nach Zeitgeschmack. 1929 wurde erstmals eine elektrische Fuß- und Fensterheizung eingebaut. Bei einer Kirchenrenovierung 1961/62 wurden die alten braunen Bänke durch neue ersetzt.
 
Kircheninnenraum 2006

Balkensprüche als Leitworte

Seit der Kirchenrenovierung 1982 gibt es eine zweite Kanzel im Altarraum. Neben dem Altar steht seit den 90er Jahren ein Leuchter für die Osterkerze. Das schlichte Taufbecken befindet sich an der gegenüberliegenden Seite.

Das Altarbild, ein Kunstdruck von Leonardo da Vincis „Das letzte Abendmahl“ hat für viele Gottesdienstbesucher einen großen emotionalen Wert und wurde deshalb 1982 wieder aufgehängt.

Der Gemeinde ans Herz gewachsen sind auch die beiden Balkensprüche, die 1982 wieder frei gelegt wurden: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte“ liest man beim Betreten der Kirche am Emporenbalken. „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“ steht über dem Altar.

Andrea Deyerling-Baier