Geschichte des Erdöls in Oedesse

(Quelle: Landkreis Peine von der Lehrerarbeitsgemeinschaft für Heimatkunde 1965)

 

Die Geschichte des Erdöls ist sehr alt, und seine Bedeutung wurde lange vor unserem technischen Zeitalter erkannt. So verwendeten die alten Ägypter bereits Öl für Beleuchtungs-

zwecke. Die Öllampe in den Gemächern der altägyptischen Königinnen waren die Vorläufer der Petroleumlampe unserer Großeltern. Im alten Rom wurde Öl in flachen Gruben oder Behältern gesammelt; mit dem Rückstand, der am Boden haftete, verklebte man die Fugen der hölzernen Kriegsschiffe oder verband damit das Mauerwerk der Häuser. Bei den Ausgrabungen von Babylon wurden Straßen freigelegt, die mit Rohasphalt verarbeitet waren. Um Feuer in die belagerten Städte zu tragen, schoss man ölgetränkte Brandpfeile über die Mauern, und als im Jahre 1196 Kreuzfahrer Kontantinopel belagerten, wurde ihnen von den Festungswällen herab siedendes Öl über die Köpfe gegossen. Für die Chinesen und die Ureinwohner Amerikas war Eröl ein Wundermittel und eine kostbare Medizin.

Auch in unserer Heimat kannte man das Eröl schon sehr früh und verwendete es zu mancherlei Dingen. Man gewann das Öl aus so genannten Fett- oder Teerkuhlen. Der Name „Teerkuhlen“ begegnet uns heute noch als Flurbezeichnung in der Oedesser Feldmark. Es gab dort 4 große und 14 kleinere solcher Kuhlen. Die Teerkuhlen waren rechteckig oder quadratisch ausgehobene Gruben, 2,50 m bis 2,80 m tief. Damit sie nicht einstürzten, wurden sie an den Seiten mit Brettern oder Bohlen verschalt. Mit dem aufsteigenden Grundwasser kam auch das Erdöl empor und schwamm auf der Wasseroberfläche. Mit langen Schaufeln oder mit eigens dafür angefertigten Schöpflöffeln, den „Rohenäppen“, schöpfte man das Öl ab und sammelte es in Eimern. Der Rest wurde mit einem Besen aus Binsen oder Schilfrohr abgefischt, indem man damit über das Wasser hin- und herstrich. Das daran haftende Öl streifte man mit den Fingern ab. Zweimal am Tage wurden die Gruben entleert, damit wieder frisches Grundwasser mit neuem Öl eindringen konnte.

Meistens waren die Teerkuhlen Eigentum der einzelnen Bauern, die aus ihnen ihren Bedarf an Wagenschmiere herausholten, dafür aber an das Amt Meinersen einen Zins zahlen mussten. Es gab auch so genannte Ölfischer, die mit dem Öl ihren Lebensunterhalt verdienten. Da war z.B. in Oedesse ein Mann, der mit dem „Oischen (Oedesser) Fett“ einen schwungsvollen Handel trieb. Mit einer Schiebkarre, auf die er sein Ölgefäß gestellt hatte, fing es an. Die Schiebkarre vertauschte er bald mit einem Handwagen.

Von Hunden gezogen, und es dauerte nicht lange, da hatte er bereits einen kleine Wagen mit einem Pferd davor. Damit bereiste er die Dörfer bis weit über Peine hinaus, bis Burgdorf und Braunschweig und bot seine Ware an. Das „Oische Fett“ wurde gern gekauft. Die Leute verwendeten es als Wagenschmiere und Stiefelfett oder brannten es in den Lampen. Manche legten es als Pflaster auf Wunden und Geschwüre, ja es soll vorgekommen sein, dass man es auch einnahm. Beim Vieh wurde es nicht nur bei allen äußeren Wunden gebraucht, sondern auch als Arznei verabreicht, wenn die Gelenke versteift waren oder die Milch der Kühe nicht gut war. Schließlich strich man damit auch hölzernes Gitterwerk, Planken und Balken, um sie gegen zerstörende Witterungseinflüsse zu schützen. Heute wird man kaum noch Erdöl zu solchem Zweck verwenden, denn i Zeitalter der Maschinen hat das Erdöl, das „flüssige Gold“, eine andere Aufgabe zu erfüllen, und zahlreich sind die Produkte, die aus dem Erdöl gewonnen werden.

Das Erdöl hat einen Energiegehalt, der höher ist als der der besten Steinkohle. Erdöl ist das Ausgangsmaterial für flüssige Kraftstoffe. Sie verbrennen fast ohne Rückstand und geben ihren Energiegehalt sofort ab. Erst Benzin und Dieselkraftstoff haben den Siegeszug des Verbrennungsmotors ermöglicht. Auto und Flugzeug sind die heutigen Großverbraucher dieser wertvollsten flüssigen Kraftstoffe.

Überall wo Maschinenteile sich gegeneinander bewegen, entsteht trockene Reibung. Sie zerstört Maschinen und Anlagen und kann nur mit geeigneten Schmiermitteln verhindert werden. Viele hundert verschiedene Schmieröle und Schmierfette gibt es, und die meisten werden aus dem Rohöl gewonnen.

Bei der Veredlung des Erdöls entsteht Bitumen. Früher war es ein unwichtiger Abfallstoff, heute wird es vielfach verwendet. Bei der Isolierung eines Neubaues vom Keller bis zum Dachboden, bei der Isolation von elektrischen Kabeln und Rohrleitungen, in Schwarzlacken und Druckfarben, ja selbst in Schallplatten fanden wir Bitumen. Mit Mineralien vermischt, entsteht daraus Asphalt für den Straßenbau, und schließlich gebraucht man es in der Dachpappenindustrie. Viele hunderttausend Quadratmeter mit Bitumen getränkter und belegter Dachpappe werden jährlich auf die Dächer von Ställen und Schuppen genagelt. So wurde aus de Stiefkind Bitumen ein wichtiger Rohstoff.